Dienstag, 12. Juni 2012

BayVGH: Kündigung während der Schwangerschaft allenfalls bei besonders schweren Verstößen gegen arbeitsvertragliche Pflichten


Gemäß § 9 Abs. 1 MuSchG ist die Kündigung gegenüber einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung unzulässig, wenn dem Arbeitgeber zur Zeit der Kündigung die Schwangerschaft oder Entbindung bekannt war und innerhalb zweier Wochen nach Zugang der Kündigung mitgeteilt wird. Ziel dieser Regelung ist es, die werdende Mutter auch im Interesse der Allgemeinheit so zu schützen, dass sie ein gesundes Kind zur Welt bringen kann. 


Von der werdenden Mutter sollen nicht nur wirtschaftliche Sorgen durch Erhaltung des Arbeitsplatzes ferngehalten werden. Vermieden werden sollen nach Möglichkeit auch alle psychischen Belastungen, die mit der Kündigung eines Arbeitsplatzes, insbesondere in dem seelisch labilen Zustand einer Frau während der Schwangerschaft, verbunden sind. Gemäß § 9 Abs. 3 MuSchG kann allerdings die für den Arbeitsschutz zuständige Oberste Landesbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle in besonderen Fällen, die nicht mit dem Zustand einer Frau während der Schwangerschaft oder ihrer Lage bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung in Zusammenhang stehen, ausnahmsweise die Kündigung für zulässig erklären.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) hatte nun darüber zu befinden, ob eine schwangere fristlos gekündigte Frau Prozesskostenhilfe für eine Klage vor dem Verwaltungsgericht Ansbach erhält. 

Die Arbeitnehmerin wendete sich  gegen einen Bescheid der Regierung von Mittelfranken, in dem die außerordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses  nach dem Mutterschutzgesetz für ausnahmsweise zulässig erklärt wurde. 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die außerordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses wegen einer Facebook-Äußerung für ausnahmsweise zulässig erklärt. Die Arbeitnehmerin war nämlich von ihrem Arbeitgeber bei einem Mobilfunkunternehmen eingesetzt, über die sie auf ihrem privaten Facebook-Account eine abwertende Äußerung eingestellt hatte. Sie äußerte sich dort wie folgt: 

„Boah kotzen die mich an von X, da sperren sie mir einfach das Handy, obwohl man schon bezahlt hat. Und dann behaupten die es wären keine Zahlungen da. Solche Penner. Naja ab nächsten Monat habe ich einen neuen Anbieter.“ 

Der BayVGH bescheinigte der Klage der schwangeren Arbeitnehmerin gegen die Zulassung der Kündigung hinreichende Erfolgsaussicht. 

Eine ausnahmsweise Kündigung während der Schwangerschaft sei nur bei besonders schweren Verstößen der Schwangeren gegen arbeitsvertragliche Pflichten zulässig, die dazu führten, dass dem Arbeitgeber die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses schlechthin unzumutbar werde.

Diese Voraussetzungen seien nach Ansicht des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht erfüllt, weil es sich bei den Äußerungen der Klägerin unter Berücksichtigung von Anlass (private Vertragsbeziehung der Klägerin mit dem Telefonanbieter) und Kontext der Äußerung (privater Facebook-Account) nicht um eine Schmähkritik i. S. d. Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gehandelt habe. Die Richter befanden die  Äußerung wohl noch vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt und merkten an, dass die Benutzung des Vokabulars der Klägerin sich nur als "sprachlich pointierte Bewertung im Kontext einer bestimmten sachlichen Aussage über die Abwicklung eines Vertragsverhältnisses durch den Betroffenen" darstelle (VGH Bayern, 29.02.2012 - 12 C 12.264).